derAlexander, Helmut: Der „rote“ Bischof. Paul Rusch und Tirol. Studienverlag. ISBN 3-7065-1919-4. Innsbruck 2005.gebunden
304 Seiten mit SW-Bildern

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Bischof Paulus Rusch gehört in Tirol wahrscheinlich zu den umstrittensten kirchlichen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sei es durch seinen Kleinkrieg gegen Sigmund Kripp und die MK, sei es durch Antisemitische Äußerungen, sei es aber auch durch die Förderung des sozialen Wohnbaues und die Stärkung der Arbeiterklasse innerhalb der katholischen Kirche.

Paulus Rusch wurde im Jahre 1938 der bis dahin jüngste Bischof der katholischen Kirche zu dieser Zeit. Bis 1980 leitete er die Diözese Innsbruck, deren Antlitz seine Amtszeit prägte.

Nach seiner Ernennung zum Bischof, von den Nationalsozialisten nicht in seinem Amt anerkannt, waren seine ersten Amtsjahre geprägt von der Arbeit im Untergrund. Die während des Krieges einsetzende Verarmung veranlasste den Bischof dazu, sich nach 1945 vor allem sozialen Aufgaben zu widmen. Zu diesen zählten vor allem der soziale Wohnbau unter dem Titel: „Wohnbau ist Dombau“ und die Umsetzung der christlichen Soziallehre. In diesem Sinne versuchte er die Industriellen Tirols als Paten für seine Bauprojekte zu gewinnen, verdammte aber andererseits den Liberalismus als Form des Nationalismus, wobei er das Anhäufen von Gütern in den Händen weniger als Fehlentwicklung einstufte. Hier aber von sozialistischen Tendenzen zu sprechen, welche den Spitznamen „der rote Bischof“, rechtfertigen würden, ist verfehlt, da Rusch den Sozialismus als Reaktion auf einen fehlgeleiteten Kapitalismus ansah. Daher kann die soziale Aufbauarbeit auch als Versuch bezeichnet werden, die Arbeiterschicht weg von der sozialistischen Partei, hin zu katholischen Kirche zu ziehen. Ein besonderes Augenmark des Bischofs galt der KAJ (katholische Arbeiter Jugend) zu der er eine innige Beziehung hatte. Im Gegensatz dazu stand die Innsbrucker Hochschulgemeinde (KHG) deren kritische Haltung zu Autoritäten Rusch zu unterdrücken suchte. Nach jahrelangem Konflikt mit oftmals wechselnden Universitätspfarrern kam 1973 das Aus, indem die Schlösser des Seelsorgezentrums im Gebäude der Mensa ausgetauscht wurden und die KHG vor verschlossenen Türen stand. Erst 1980 wurde von Rusch wieder eine Universtitätspfarre eingerichtet.

Ein Aspekt beim Konflikt mit der KHG war deren Langzeitleitung durch die Jesuiten, welche dem Bischof aufgrund deren aufgeklärtem Katholizismus und der philosophischen Betrachtungen ein Dorn im Auge waren. Diese Ablehnung kulminierte im Konflikt zwischen Rusch und dem Jesuiten Kripp bezüglich der MK (Marianische Kongegration) in Innsbruck.
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1981 trat Bischof Paulus Rusch in den Ruhestand, nachdem sein Rücktrittsgesuch 1980 von Johannes Paul II. angenommen wurde.

 

Vom Titel des Buches kann man leicht in die Irre geleitet werden: „Der „rote“ Bischof“ lässt den Leser schnell eine Parallele zum „Roten Kardinal“ König von Wien ziehen, der sich um eine Aussöhnung mit den Sozialisten während seiner Amtszeit bemüht hatte. Im Gegensatz dazu war Ruschs „rotes“ Engagement auf die christliche Soziallehre und deren Verwirklichung gerichtet. Univ. Prof. Helmut Alexander stellt dem Leser eine interessante Persönlichkeit mit vielen Facetten vor und schafft es, auch in inhaltlich trockenen Kapiteln zu fesseln. Den breitesten Umfang in diesem Werk nimmt der Konflikt zwischen den Jesuiten und dem Bischof ein, der auch prägend für sein Episkopat war. Besonders interessant ist der Exkurs, welcher die Antisemitischen Tendenzen des Bischofs schildert. Dieser Exkurs hätte sich ein eigenes Kapitel und damit eine genauere Betrachtung verdient, da er sehr gut den durch Jahrtausende latent vorhandenen Antisemitismus, vor allem religiös begründet, in Europa zeigt.

Leider wurde es auch verabsäumt, eine Betrachtung des Bildes des Bischofs in den zeitgenössischen Medien zu zeichnen, da gerade Paulus Rusch in seinen späten Amtsjahren von den Medien sehr kritisiert wurde. Diese Entwicklung wäre es wert gewesen, analysiert zu werden.

Die Bildauswahl ist vorzüglich gelungen und vermittelt einen Eindruck über die Epoche Rusch.

In unserer Bewertungsskala von 5 möglichen Punkten vergeben wir daher 4,25 Punkte, was einer uneingeschränkten Empfehlung entspricht.