Richardi, Hans Günter: SS Geiseln in der Alpenfestung, Die Verschleppung prominenter KZ Häftlinge aus Deutschland nach Südtirol; mit Beiträgen von Caroline M. Heiss und Hans Heiss. Edition Raetia, ISBN: 88-7283-229-2, Bozen 2005.
312 Seiten gebunden, Farb- und Schwarz-Weiß-Photos
http://www.raetia.com
Als das Ende des Dritten Reiches für die Führung der SS absehbar wurde, begann man, prominente Geiseln als Faustpfand für Friedensverhandlungen in KZs zu versammeln. Aufgrund der immer weiter vorrückenden Alliierten wurden diese Geiseln in den letzten Kriegsmonaten oftmals von einem zum nächsten KZ verlegt, bis sie schlussendlich in der ÑAlpenfestungì befreit wurden. Als Faustpfand wurden Geistliche, Politiker und hohe Militärs besetzter Länder und Angehörige der Verschwörer vom 11. Juli eingesetzt.
Über die prominenten Geiseln des Dritten Reiches wurde in der historischen Fachliteratur bislang wenig veröffentlicht. Diese Lücke zu schließen, versucht das Buch ÑSS Geiseln in der Alpenfestung, die Verschleppung prominenter KZ Häftlinge aus Deutschland nach Südtirolì von Hans Günter Richardi.
Der Autor zieht einleitend einen Bogen von den ersten Geiseln des Dritten Reiches bis ins Jahr 1944. Da im Mittelpunkt des Werkes die Verschleppung der ÑSchutz-Ñ, ÑSippen-Ñ und ÑEhrenhäftlingeì, welche das Kriegsende in Niederdorf im Pustertal erlebten, steht, folgen auf den allgemeinen Teil Prosopographien der beteiligten Personen. Hierbei handelt es sich vor allem um den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Angehörige der Familien Stauffenberg und Goerdeler, italienische Offiziere, französische Staatsmänner, wie der ehemalige Premierminister Leon Blum, und bekannte Geistliche, wie der Bischof von Clermont. Geschildert wird hierauf der Weg der Geiseln aus den verschiedensten KZs nach Dachau, wo die Gruppe das erste Mal in ihrer Endgültigen Form zusammentraf. In diesem Teil des Buches wird der Weg von einem KZ Lager zum Nächsten auf der Flucht vor den herannahenden Alliierten durch geheime Tagebuchaufzeichnungen der Opfer sehr emotional und beklemmend dargestellt. Die Ungewissheit der persönlichen Zukunft, der tägliche Kampf gegen die Verzweiflung und Depression wird durch diese authentischen Dokumente auf den Leser übertragen. Den Höhepunkt erreicht das Buch beim Transport von Dachau über Innsbruck nach Niederdorf in Südtirol, wo die Geiseln schlussendlich durch Wehrmacht und später durch alliierte Einheiten befreit wurden. Sehr detailliert werden diese Vorkommnisse geschildert und wieder kommen auch Zeitzeugen zu Wort.
Der erste Eindruck, den dieses Buch vermittelt, ist der große inhaltliche Bogen der sich auf 312 Seiten spannt. Vom angeblichen Überfall auf den Sender von Gleiwitz bis zum Kriegsende an der Südfront. Um diesen Umfang darstellen zu können, wird vom Leser ein Vorwissen in Bezug auf SS Strukturen und das Dritte Reich vorausgesetzt.
Durch die häufige Verwendung von Tagebucheinträgen der Geiseln aus Ihrer Haftzeit wird einerseits ein sehr emotionales Bild ihrer Situation gezeichnet, andererseits leidet darunter ein wenig die Struktur, da oftmals Ereignisse vorweggenommen oder mehrmals geschildert werden.
Da zu diesem Thema noch sehr wenig veröffentlicht wurde, kann dieses Buch eine wichtige Lücke in der Literatur zum dritten Reich schließen.
Wir vergeben für ÑSS Geiseln in der Alpenfestungì 4 von möglichen 5 Punkten und sprechen damit eine Kaufempfehlung aus.