Silex-Funde und Bergkristallabschläge weisen auf menschliche Spuren und Jägerrastplätze der Mittelsteinzeit (um 5000 v. Chr.) hin, die sich am Bergkamm über die Glittner Seen bis zum Würzjoch erstrecken. In Rodeneck selbst konnte bereits Adrian Egger Reste von "Wallburgen" am Bachgart-, Graa- und Rauchenbühel ausfindig machen, die in die mittlere Bronzezeit (um 1500 v. Chr.) zurückreichen. Namen wie Nauders (Inutrium), Gschlor (castelir bzw. caslir = Burgstall), Vill (villa = Gutshof), Purtscha (Brandrodung) weisen auf eine prähistorische bzw. römerzeitliche Besiedlung hin. Reimo Lunz vermutet besonders im Umkreis des rätselhaften Geizenbühels (ursprünglich Getzenbühel) vor- und frühgeschichtliche Siedlungen.
Der Name Rodeneck
Bereits Marx Sittich von Wolkenstein fragt sich in seiner Landesbeschreibung (um 1600), ob Rodeneck seinen Namen von den Edlen von Rodank, einem der ältesten Adelsgeschlechter Tirols, erhalten oder ob dieses Geschlecht den Namen von einem hier gelegenen Hof oder vom ganzen Berg übernommen hat. Unter Bischof Albuin (975-1006) taucht in verschiedenen Urkunden schon ein gewisser Rodanus als Schirmvogt der Kirche von Säben und Brixen auf.
Die ältesten urkundlichen Erwähnungen Rodenecks finden wir im "Actum Rotungum“ 1050 -1065. In diesen Urkunden erscheint Rodeneck besonders als Ort von Schenkungen an den Bischof und wird Rodung, Rodunc und Rotuchun genannt. Seit 1140 kommt häufig der Name "Rodunch" vor, aber auch Rodanc, das sich vor allem ab 1200 durchsetzt. Ab 1500 setzt sich immer mehr der Name Rodnegg (Rodnögg) durch. Der Name "Rodeneck" taucht erstmals 1314 und dann in einem lateinischen Ablaßbrief des Jahres 1469 auf. Für das Schloß hat sich allgemein die Schreibweise "Rodenegg" durchgesetzt.
Die Herren von Rodank
Urkundlich treten die Herren von Rodank erst zwischen 1115 und 1125 auf. Ihr Reichtum und ihr Ansehen deuten darauf hin, daß das Geschlecht viel älter ist und schon damals sehr bedeutsam war.
Der erste bedeutende und sichere Vertreter derer von Rodank ist Friedrich I., der 1126 namentlich angeführt wird. Um 1140 überließ Bischof Hartmann von Brixen (1140 -1154) im Tauschvertrag diesem seinem Ministerialen und dessen Frau Gerbirch jenen "mansum Rodunc in quo aedificaverat sibi castrum in proprium", das heißt jenes Landgut Rodunc, auf dem er sich ein Schloß erbaut hatte, zu eigen; die Burg kann demnach auch schon vor 1140 erbaut worden sein.
Die Bedeutung dieses Geschlechtes ersieht man auch daraus, daß Konrad von Rodank im Jahre 1200 Bischof von Brixen wurde. Im Bereich der bischöflichen Burg ließ Bischof Konrad große Umbauten durchführen, die St.-Johannes-Kapelle als Pfalzkapelle mit herrlichen Fresken schmücken, ebenso die Lieb-Frauen-Kirche erneuern und ausmalen und hat dann 1214 ein Kollegiatstift errichtet.
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Geschichte Rodenecks waren die Jahre 1269 und 1271. Der kinderlose Friedrich IV. übergab bzw. mußte unter dem Druck der Grafen von Görz- Tirol 1269 den ganzen Berg Rodeneck samt dem Schloß und der Haslacher {Mühlbacher) Klause den Brüdern Meinhard und Albert von Görz- Tirol übergeben. Diese verpflichteten sich u.a., einen befestigten Markt ("burgum") anzulegen, und gründeten somit den späteren Marktflecken Mühlbach.
Rodeneck unter landesfürstlicher Verwaltung
Die Tiroler Landesfürsten ließen die Herrschaft Rodeneck durch eigene Hauptleute verwalten. Als erster ist bereits 1292 Berthold von Mühlbach, der Teufel genannt, aus dem Geschlecht derer von Line bekannt.
1358 wurde Rodeneck noch vor dem übrigen Tirol österreichisch. Rudolf IV. von Österreich übernachtete auf dem Weg nach Tirol am 18. Jänner 1363 im Schloß Rodenegg und konnte sich bei den Verhandlungen auf diesen wichtigen Besitz berufen. Mit der entscheidenden Urkunde vom 26. Jänner 1363 übergab dann Margarethe Maultasch mit Zustimmung ihrer Räte die Grafschaft Tirol an das Haus Österreich, nämlich an Rudolf IV. und seine Brüder Albrecht und Leonhard.
Rodeneck unter den Herren von Wolkenstein-Rodenegg
1491 gelangten Schloß und Herrschaft Rodeneck an die Freiherren (seit 1474) und späteren Grafen (seit 1630) von Wolkenstein-Rodenegg, deren Nachkommen das Schloß Rodenegg mit einer kurzen Unterbrechung noch heute besitzen.
Die Wolkensteiner tauchen bereits im 13. Jahrhundert auf und entstammen den Herren von Villanders: Randold von Villanders-Pardell (Gravetsch) erwarb 1291 die im innersten Grödental gelegene Burg Wolkenstein, nach der sich dessen Sohn Konrad seit 1320 "von Wolkenstein" nennt. Mit Konrads Enkeln teilt sich das Geschlecht in zwei Linien: Der "Minnesänger" Oswald begründet die Linie Wolkenstein-Rodenegg, sein Bruder Michael die Linie Wolkenstein-Trostburg. Oswald II., der Jüngere, ein Sohn des "Minnesängers", war für kurze Zeit bereits als Pfleger auf Rodenegg, und war somit der erste Wolkensteiner auf Rodenegg.
Am 22. Juli 1491 übergab König Maximillian Veit von Wolkenstein, einem Sohn Oswalds II. , Schloß und Herrschaft Rodenegg zu freiem Eigen. Er mußte auch sehr reich gewesen sein, denn er verlieh öfters Geld, wie z.B. an König Maximilian, der ihm dafür bereits 1496 Schloß und Herrschaft Ivano in der Valsugana überließ. Sogar Richard, der Herzog von York, Sohn des verstorbenen Königs Eduards IV. von England und Frankreich, bedankte sich bei "Herrn Vitus de Wolquestain" für die erteilten Ratschläge und versprach ihm 4.000 fl. Veit war der erste Tiroler, der vom Kaiser mit dem höchsten Orden, dem Goldenen Vließ, ausgezeichnet wurde.
Unter Christoph I. begann sich die Kultur der Renaissance auf Rodenegg zu entfalten: Im Erdgeschoß wurde die neue Schloßkapelle zum hl. Michael erbaut. Ferner entstanden um diese Zeit ein feuersicheres Archiv, eine wertvolle Bibliothek, eine Gemälde-, Münzen-, Wappen- und Waffensammlung. Christoph I. gehörte zu den reichsten Schloßherren Tirols und erwarb ständig neue Besitzungen. 1564 erhielt er durch Erbe des Karl von Welsperg das Kupferbergwerk Prettau. Der Kaiser erlaubte ihm auch die Errichtung einer Messinghütte in Lienz.
Der größte Schlag, von dem sich Schloß Rodenegg nie mehr .ganz erholte, war der Brand vom 17. Mai 1694. Bei einer Hochzeitsfeier wurde das ganze Schloß durch Feuer vernichtet. Verschont blieben nur das feuerfeste Archiv, die mit mehreren Prachtausgaben versehene Bibliothek, die Kapelle, das geheime Burgverlies und ein Teil der Rüstkammer. Das Schloß selbst wurde nach diesem Unglück nur mehr notdürftig mit einem Dach versehen. Der größte Teil blieb Ruine und drohte zusehends zu verfallen.
Rodeneck im 20. Jahrhundert
Am 22. Juli 1897 erwarben Arthur Graf Wolkenstein-Rodenegg und seine Frau Maria geb. Kammel-Hardegger das Schloß. Von Arthur II. (1897 -1939), der mit Kunstsinn, Sachverständnis und viel Energie das Schloß wiederbelebte, ging der Besitz auf seine zwei Töchter Katharina, verehelichte Preysing-Lichtenegg, und Dorothea, verehelichte von Call, über. Zur Zeit befindet sich das Schloß im Besitz von Graf Leonhard von Wolkenstein-Rodenegg und Gräfin Erna von Preysing-Lichtenegg.
Rodeneck im Tiroler Bauernkrieg
Besonders unruhig ging es im Landgericht und Burgfrieden (der heutigen Gemeinde) Rodeneck her. Die Bauern der Umgebung hatten die Absicht, auf das Schloß Rodenegg zu ziehen, das unter Veit II. (1523 - 1538) vergrößert und für Verteidigungszwecke ausgebaut wurde, und es zu erstürmen.
Den endgültigen Ausschlag zum großen Bauernkrieg in Tirol gab aber die Verurteilung Peter Paßler aus Antholz, der in Brixen gefangen war. Als er am 9. Mai 1525 auf dem Domplatz in Brixen hingerichtet werden sollte, wurde er gewaltsam befreit. Anführer waren vor allem Gerichtsleute aus Rodeneck. Von den Rodeneckern selbst (im Burgfrieden) seien besonders als Mitinitiator Hans Hauser aus Nauders erwähnt, ferner Christan Prössl und der Schneider zu St. Pauls, der Platscher aus Nauders, Blasi Untergasser zu Gifen, der Jochl sowie Hans und Wolfgang Löchler aus Spisses.
Rodeneck als Gemeinde
Aus dem ehemaligen Burgfrieden des Schlosses ging am Anfang des 19. Jahrhunderts die eigenständige Gemeinde Rodeneck hervor, die unter österreichischer Verwaltung ein ziemlich hohes Maß an Selbstverwaltung besaß.
Schwere Zeiten erlebte die Gemeinde im Ersten Weltkrieg (1914- 1918). Von den 80 eingerückten Rodeneckem sind 23 gefallen, vorwiegend an der Ostfront und am Isonzo, neun blieben vermißt.
Während der dreißiger Jahre gab es auch in Rodeneck in einigen Häusern Unterricht in deutscher Sprache, wenngleich man hier von einer eigentlichen "Katakombenschule" kaum sprechen kann.
Ein harter Schlag für die Gemeinde war 1926 das Ende der Selbstverwaltung und damit jeder demokratischen Mitbestimmung. 1929 wurde dann die Gemeinde Rodeneck zusammen mit Meransen, Mühlbach, Spinges und Vals zu einer einzigen Gemeinde "Mühlbach" vereint.
Option und Zweiter Weltkrieg (1939 -45)
Nach dem Hitler-Mussolini-Abkommen mußten sich die deutschen Bewohner entscheiden, ob sie italienische Staatsbürger bleiben oder ob sie ins Deutsche Reich abwandern wollten. Nur drei Familien waren sogenannte "Dableiber".Bis Ende 1940 waren in Rodeneck 105 Personen, meist Einzelpersonen, aber auch ganze Familien, ausgewandert.
Im 2.Weltkrieg verzeichnete Rodeneck 29 Gefallene und acht Vermißte.
Rodeneck nach dem Zweiten Weltkrieg
Zum wichtigsten Ereignis in der Geschichte der Nachkriegszeit gehört sicherlich die Wiedererrichtung der eigenständigen Gemeinde im Jahre 1955.
Entnommen aus „Rodeneck – Vom Burgfrieden zur Gemeinde“. Herausgegeben 1994 von Alois Rastner im Auftrag des Tourismusvereins Rodeneck. Rodeneck im Spiegel der Geschichte Frühe Siedlungen - mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Rodeneck