ImageRettenwander, Matthias: Der Krieg als Seelsorge, Katholische Kirche und Volksfrömmigkeit in Tirol Im Ersten Weltkrieg; in der Reihe:  Tirol im ersten Weltkrieg , Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Band 5,
Universitätsverlag Wagner.  ISBN  3-7030-0406-1. Innsbruck 2005,  Paperback
Seiten 456.
http://www.uvw.at/

Der Krieg als Seelsorge - dieser Titel lässt viel Assoziationen zu; einerseits die Frage: Stellt Krieg per se bereits eine Seelsorge dar, oder: Wird die Seelsorge durch den Krieg wichtiger, oder andererseits: Wurde die Seelsorge durch den Krieg verändert.

Der Autor des Buches setzt sich gerade im Anfangsteil mit den verschiedenen Fragestellungen auseinander, wodurch der Umfang dieses Themas bereits klar umrissen wird. In der Folge wird dem Leser eine große Fülle an Hintergrundinformationen geboten. So wird in Kapitel 2 vor allem das katholische Umfeld, welches sich in Tirol zu Beginn des 20. Jahrhunderts etabliert hatte, sorgfältig recherchiert. In Kapitel 3 setzt der Erste Weltkrieg ein, jedoch handelt es sich dabei noch nicht um den Beginn des Krieges gegen Italien, sondern um die Augustereignisse nach der Ermordung des Thronfolgers in Sarajevo 1914.

Zwischen Kapitel 4 und 11 werden die verschiedensten Facetten der Verbindung Kirche und Krieg analysiert.  Die Benennung der einzelnen Abschnitte gibt in bester Art und Weise den Inhalt wieder:

  • Kapitel 4: Die bischöfliche Verkündigung zum Krieg - Seelsorge, politisches Kalkül und Macht
  • Kapitel 5: Kriegsseelsorge - Formen und Grenzen
  • Kapitel 6: Der Krieg gegen Italien
  • Kapitel 7: Bischof Endrici und die Freiheit der Kirche
  • Kapitel 8: Die Rolle von Kirche und Klerus in der Kriegsfürsorge
  • Kapitel 9: Der Kampf um die Glocken in Tirol
  • Kapitel 10: Reformbestrebungen des Klerus im Krieg
  • Kapitel 11: Friedenssehnsucht und gesellschaftliche Krisenerscheinungen

Besonders beeindruckend sind die Passagen, in denen Anhand zeitgenössischer Aussagen bzw. Quellen die Situation in verschiedenen Pfarreien geschildert wird.

Der erste Eindruck des Buches weckt Interesse an der Thematik. Dieses positive Empfinden wird jedoch in den ersten beiden Kapiteln stark auf die Probe gestellt. Der Autor versucht in diesen sowohl die Methodologie als auch sehr ausführliche Hintergrundinformationen zu erläutern. Da diese Schilderung in einem sehr trockenen Stil erfolgt, wird man wahrlich überrascht, wie sich der Stil und auch der Inhalt ändert, sobald das eigentliche Thema beginnt. Hier wird der Text lebendig und sehr gut strukturiert präsentiert. Die einzige Kritik an diesem Bereich stellt der spärliche Einsatz von Bildern dar, welche neben dem Text den Leser weitere Facetten und ein Stimmungsbild der damaligen Zeit präsentiert hätten.

Gerade die Geschichte des Ersten  Weltkrieges wurde bisher in der historischen Literatur sehr spärlich behandelt. Dieses Buch kann gerade in dieser Hinsicht eine wichtige Lücke schließen, da es neben der Schilderung der Seelsorge an der Front auch ein moralisch soziales Sittenbild der damaligen Zeit im Hinterland wiedergibt.  Wir vergeben für dieses Buch 4,75 von 5 möglichen Punkte - ohne die ersten beiden Kapitel wären es 5 Punkte gewesen - was einer  absoluten Kaufempfehlung entspricht.

Autor: Mag. Michael Fritz