Wappen von WiesingWir haben keine Nachricht darüber, ob Wiesing in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war.
Wenn wir aber die Lage unseres Dorfes betrachten ist das durchaus möglich. Der Inn wechselte" in vorgeschichtlicher Zeit" häufig sein Bett; der Talbo­den, war versumpft und verwüstet; bewachsen mit dichten Auen. So bot sich die Fläche von Wiesing, etliche Meter über der Talsohle und an der Sonnenseite gelegen, geradezu als idealer Siedlungsplatz an. Aber wie bereits gesagt, aus vorgeschichtlicher Zeit fehlen Nachrichten und ebenso Bodenfunde. Ein Ortsteil von Wiesing, der nordwestlich der Haltestelle Münster-Wiesing liegt, heißt Bradl. Dieser Name ist zweifellos romanischen Ursprungs, wie der gleichlautende Stadtteil von Innsbruck, leitet sich dieser Name vom lateinischen "pratum" (das heißt Wiese)ab. Die unterschiedliche Schreibung B - P ist hierbei bedeutungslos. Dieses Wortund etliche andere Flurnamen, die sich aus der lateinischen Sprache ableiten, zeigt, daß wenigstens Teile von Wiesing zur Römerzeit besiedelt waren, wahrschein­lich von romanisierten Rätiern.
Von der folgenden bajuwarischen Besiedlung kündet der Name Wiesing. Die Endsilbe "-ing" ist besitzanzeigend, ähnlich wie bei einigen oberinntaler Dörfern: Polling, Hatting, Flaurling. Weiters: "Wisso" ist ein Eigenname, der auch sonst im frühen Mittelalter vorkommt. So bedeutet also der Name Wiesing soviel wie Hof, Siedlung oder Gründung des Wisso.
Darauf deutet auch hin, daß eine Urkunde aus dem Jahre 1135 Wiesing noch mit doppeltem S geschrieben kennt.
An Bodenfunden bald nach der bajuwarischen Landnahme liegt von Wiesing im Museum Ferdinandeum in Innsbruck nur ein offener Bronze-Armreif vor, der von Fachleuten ca. dem 7. nachchristlichen Jahrhundert zugeschrieben wird.
Die erste urkundliche Erwähnung von Wiesing rfolgte im Jahre 930.
Im Salzburger Urkundenbuch (I/147) wird berichtet, daß die edle Witwe und Nonne Himmeltrud dem Bischof Odalbert (923 - 935) von Salzburg ihr Eigentum "ad Mulles et Vonapo atque Suates sive Vuisinga..." zu deutsch: "bei Mils, Vomp, Schwaz und Wiesing…" übergibt. Als Jahr der Schenkungsurkunde scheint 930 auf.
Wiesing hat daher 193o das Fest seines 1ooo-jährigen Bestandes fest­lich begangen. Aus diesem Anlaß wurde der Gemeinde Wiesing von der Tiroler Landesregierung die Führung eines Gemeindewappens gestattet.
 
Die Urkunde darüber hängt in der Gemeindekanzlei. Oberhalb des Brunnens neben der Orientierungstafel des Verkehrsvereins wurde von diesem das
Wiesinger Wappen angebracht, flankiert von den Jahreszahlen 93o - 193o,
Daß Wiesing bereits um das Jahr 1ooo eine Siedlung mit mehreren Häusern war, läßt sich daraus schließen, daß zwischen 1ooo und 11oo eine, dem hei­ligen Vitus geweihtes, Kirchlein gebaut wurde. Dieses Kirchlein stand ungefähr dort, wo der Altarraum der heutigen Pfarrkirche ist. Es liegen begründete Vermutungen vor, daß dieses Kirchlein wohl -ein zweigeschossi­ger Karner (Beinhaus) war.
Schon 1311 war ein zweiter Kirchenbau notwendig geworden. Diese Kirche lag südlich der jetzigen. Beim Ausschachten von Gräbern stößt man immer wieder auf die Grundmauern dieser Kirche. Mit dieser zweiten Kirche wurde der jetzt, noch stehende Kirchturm erbaut, der in seinen Schallöchern noch deutlich den Übergang von der Romanik zur Gotik zeigt.
 
Im 12. und 13.Jahrhundert erwarb das Kloster Frauenwörth im Chiemsee (Bayern) zahlreiche Besitzungen in Wiesing. Auf einer solchen Schenkungs­urkunde aus dem Jahre 1311 wird Wiesing, wie oben erwähnt, noch mit doppeltem s geschrieben.
In Staatsarchiv in München befindet sich eine Urkurnde durch die eine Meinungsverschiedenheit zwischen Äbtissin Herburgis von Chiemsee und ihren Maiern, Albrecht und Wernherr zu Wiesing beigelegt wird. Aus die­sem Dokument erfahren wir, was die Wiesinger zu liefern hatten: Wein (also wurde damals in Wiesing Wein gebaut), Weizen, Reggen, Hühner und Gänse. Noch heute ist in Wiesing ein Flurname mit der Bezeichnung Gansacker bekannt (Kreuzung Achenseestrasse - Autobahn).
Im Urbar (alter Name für Grundbuch) Graf Meinhard II, von Tirol aus dem Jahr 1288 wird Wiesing das erste mal ein Dorf genannt: "Das Dorf zu Wissingen."
Eine Steuerliste aus dem Jahr 1313 zählt eine Reihe von Besitzern von Wiesing auf (zu dem damals neben Wiesing Jenbach und Eben gerechnet wurde): Chunrat der Estenberger(Astenberg),Chunrat der Planche(Planken-hof, heute Aschberger),Friedrich der Rampl(Rampl in Erlach),Wernherr der Maier(Jörgenhof),die 2 Hopfentaler von Vuschl(Stangslgut in Fischl). Der Besitz des Klosters Frauenchiemsee vermehrte sich so, daß um 15oo
28 "Kammerleut von Chiemsee" genannt werden.
Im 15. und.16 Jahrhundert brachte die Entdeckung und der Ausbau des Schwazer Silberbergwerkes und anderer Bergwerke der Umgebung auch der Gemeinde Wiesing einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Pfarrbücher (sie werden seit 1624 geführt) bringen oftmals die Berufsbezeichnungen die mit dem Bergbau zu tun haben: fossor = Hauer etc*.
I5o4 ließ Kaiser Maximilian am sogenannten Buchbergl, südlich von Wie­sing ein Pulvermagazin errichten. Dieses hatte die Form eines runden dreigeschossigen Turmes mit angebauter Wächterwohnung. Beim Bau der Autobahn kamen die Grundmauern zum Vorschein, Demnach dürfte der Turm einen Durchmesser von ca. 18 m gehabt haben. Eine Mittelsäule trug das Gewölbe.
1572 erbaute der jagdfreudige Tiroler Landesfürst Ferdinand II eine Mauer rund um den bewaldeten Höhenzug südwestlich von Wiesing. Diese Mauer sollte ein Tiergehege umfassen. Noch heute nennt man dieses Gebiet den „Tiergarten“. Die Reste der Mauer kann man noch gut sehen. Eine alte Landkarte aus dem Jahr 1611, die sich im Besitz der Familie von Hofrat von Inama in Lichtwehr befindet, zeigt noch einen zweiten "Tier­garten", nördlich des oben genannten in der Richtung nach Burgeck nördlich von Jenbach. Dessen Umfassung bestand aber nur aus Holzplanken, so daß hier seine Grenzen nicht mehr genau kennen.
Auch die Berge nördlich von Wiesing galten als gutes Jagdgebiet. So raufte der reiche Bergwerksherr Karl von Schürf den Astenberghof und ließ ihn zu einem Jagdhaus umgestalten. Später ging dieses Jagsägebiet in den Besitz der Herren von Burgau über. Davon zeugt heute noch der Name "Burgaukopf" in der Schicht.
Wie bereits erwähnt wurde in Wiesing die zweite Kirche 1311 begonnen und 1321 vollendet. Diese Kirche war mit der Zeit zu klein und baufällig geworden. Schon länger bestand der Plan eines Neubaues, doch konnte er nicht so bald ausgeführt werden, da mit dem Nachlassen des Bergsegens die Gemeinde Wiesing ärmer geworden war. Erst der baulustige Kurat Johann Josef Thyr ging - schon im Greisealter stehend - an den Neubau. 1777 wurden die beiden alten Kirchen niedergerissen, nur der Turm blieb stehen. Im Verlauf von 4 Jahren wurde die heutige Kirche erbaut und aus­geschmückt. Thomas Sandbichler und sein Stukkateur Georg Weber aus Jenbach, beide aus dem Baugeschäft der bekannten Tiroler Baumeisterfamilie Singer stammend, waren ihre Erbauer. Auffallend ist bei der Kirche die Höhe und die schöne Raumwirkung. Langhaus und Chor haben durch Gurter getrennte Querovale Flachkuppeljoche und Rocaillestukkaturen. Dem Stil der Zeit entsprechend ist die Kirche Rokoko. Am 17 Juli 1781 weihte Fürstbischof Josef Graf von Spaur aus Brixen, zu welcher Diözese das Gebiet der heutigen Diözese Innsbruck bis zur Abtrennung Südtirols gehörte. Ein besonderer Wohltäter der Kirche war der damalige Besitzer von Rotholz, Graf Tannenberg, der nicht nur des ganze Bauholz schenkte, sondern auch den rechten Seitenaltar stiftete. Das gräflich Tannenbergsche Wappen schmückt auch dieser Altar. Überhaupt verstand es Pfarrer Thyr für seine Kirche Wohltäter zu finden. So finanzierte den Hochaltar der Priester Franz Kreuzweger von Schwaz und den linken Seitenaltar die Herren von Achenrain in Kramsach. Aus den übrig gebliebenen Bausteinen wurde neben der Kirche noch ein Schulhaus erbaut, das bis 1954 der Gemeinde als Volksschule diente. Der verdienstvolle Pfarrer liegt in seiner Kirche unter dem Volksaltar begraben.
Leider wurde die neuerbaute Kirche bereits ein Jahr später schwer be­schädigt. Im Totenbuch der Pfarre (Band II/131,132) lesen wir: „Am 7.July 1782. Johannes Pausch und Philippus Stöckl, zwei Soldaten und Wächter beim K.K.Pulvermagazin, welche um 11 Uhr in dieser Nacht, da der Donner in den Pulverturm eingeschlagen, ihr Leben eingebüßt.“ Diese traurige Begebenheit hat nicht nur den Turm und das Wachthaus gänzlich eingeschüttet und in Aschen gelegt, sondern auch die umlie­genden Felder durch Steine und Holztrümmer verwüstet, alle Fenster der neuerbauten Pfarrkirche und beide Türen und Schlösser eingestoßen und kein Haus im ganzen Dorf unbeschädigt gelassen.
Es muß wahrlich eine fürchterliche Explosion gewesen sein, denn, so wird weiter berichtet, daß auch in den umliegenden Orten arger Schaden ange­richtet. Sogar in Matzen und Rattenberg sollen noch Fenster zersprungen sein.
Das also war das Ende, des oben erwähnten Pulverturmes. Beim Bau der Autobahn (das Buchbergl auf dem er gestanden, wurde weggesprengt) wurden auch Reste der Mittelsäule gefunden und sichergestellt und harren einer passenden Verwendung um späteren Zeiten, vom Pulverturm noch Kunde geben zu können.
Auch sonst wurde Wiesing öfters von Unglücksfällen heimgesucht, vor allem von Bränden. Vom großen Brand 1756 kündet eine Votivtafel in der Kirche und alljährlich wird in Wiesing in Erinnerung an diesen Groß­brand eine Prozession gehalten, um durch die Fürbitte des Patrons Johannes Nepomuk Wiesing vor Feuersgefahr zu bewahren.
Im Kriegsjahr 18o9, dem Heldenjahr des Landes Tirol, mußte Wiesing vie1 unter Plünderungen leiden und viele flohen in die Wäler der Schicht. Dorthin sollen auch kirchliche Gerätschaften verlagert worden sein. In jener Zeit war die Haupterwerbsquelle der Wiesinger, Viehzucht, Flachsbau, Kohlebrennerei und Arbeit im Hüttwerk in Jenbach. Der Bergbau war vorsiegt.
Der Wiesinger Flachs errang in jener Zeit geradezu eine gewisse Berühmtheit. Beda Weber (Ordensmann und Begründer der Tiroler Heimatkunde; 1848 Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung und dann dort Stadtpfarrer) sagt in seinem Reisehandbuch, daß der Wiesinger Flachs mit dem damals berühmten Brabanter Flachs wetteifern könne.
Und damit sind wir auf dem Weg durch die Geschichte in die neuere Zeit gekommen. Der erste Weltkrieg brachte die traurige Ernte von 2o Gefalle­nen bzw. Vermißten.
Die Weltwirtschaftskrise der 3oerjahre brachte über Wiesing viel Not und Elend durch die Arbeitslosigkeit.
Im zweiten Weltkrieg ist die Zahl der Gefallenen unserer Gemeinde fast auf das Doppelte gestiegen: 47 Gefallene bzw. Vermißte. Ein sehr hoher Blutzoll, wenn man bedenkt, daß die Gemeinde damals ungefähr gleichviel Ein­wohner hatte, wie zur Zeit des ersten Weltkrieges, nämlich ca. 600. Seit dem Jahr 1945 hat Wiesing einen bedeutenden Aufschwung genommen. Mit der Rofansiedlung entstand ein neuer Ortsteil, aber auch in Erlach und den anderen Ortsteilen entstanden viele schmucke Häuser, 1954 übersiedelte die Schule aus dem alten viel zu kleinen Schulhaus ins neue Schulgebäude,
Immer mehr entwickelte sich der Fremdenverkehr und Hand in Hand damit wurde Wiesing immer schöner und freundlicher. Die Gemeinde wurde kanali­siert, die Straßen asphaltiert und mit einer neuen Beleuchtung versehen. Vor allem die Eröffnung der neuen Achenseestraße brachte der Gemeinde neue Antriebe und die Fertigstellung der Inntalautobahn wird in gleicher Richtung wirken.
Der oben zitierte P. Beda Weber hat Wiesing "ein wunderliebliches Dörflein im fruchtbaren und anheimelnden Grün der Unterinntaler Landschaft" genannt.
 
Zusammengestellt von Pfarrer Heinz Hundegger im Frühjahr 1970 unter Zuhilfenahme einiger Aufsätze von Prof. Cons. Hans Tusch und anderer Quellen.