(ein geschichtlicher Überblick)
von Br. Hans Norbert Huber OFMCap. (1933-2002)
Ergänzungen (in Kursiv) Manfred Massani

In der Geschichte unserer Provinz lassen sich vier Zeitabschnitte deutlich erkennen:

1. Von den Anfängen 1593 bis zur ersten Provinzteilung 1668

Auf Betreiben des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinands Il. (1529 - 1595) und hauptsächlich seiner zweiten Gemahlin Anna Katharina von Mantua kamen die ersten Kapuziner als Fastenprediger (seit 1585) an den Innsbrucker Hof. im Jahre 1593 wurde dann mit der Grundsteinlegung des ersten Kapuzinerklosters in Nordtirol (im Dezember 1594 konnte bereits die Kirche konsekriert und einige Tage darauf das neuerbaute Kloster bezogen werden) das Fundament für das 1599 errichtete Generalkommissariat gelegt. Dieses bestand aus den Klöstern Innsbruck, Salzburg (1596) und Bozen (1599). Nach den Gründungen der Klöster in München (1600), Augsburg (1601), Brixen (1603) und Rosenheim (1604) wurde das Generalkommissariat im Jahre 1605 zur selbständigen Nordtiroler Provinz unter dem Titel des Allerheiligsten Sakramentes erhoben. Im Verlauf der folgenden sieben Jahrzehnte breitete sich die neue Ordensprovinz über elf Diözesen aus (Augsburg, Bamberg, Brixen, Chur, Eichstätt, Freising, Passau, Regensburg, Salzburg, Trient und Würzburg) und zählte im Jahre 1668 von Neumarkt an der Etsch im Süden bis Königshofen und Weiden im Norden, von Neckarsulm im Westen bis Ried im Innkreis im Osten nicht weniger als 43 Niederlassungen, die Missionsstationen im Herzogtum Sulzbach nicht gerechnet.

2. Von der ersten Provinzteilung 1668 bis zum Tod Kaiser Josefs II. 1790

Wegen der allzugroßen Ausdehnung der Provinz, die sich auf die Ordensdisziplin nachteilig ausgewirkt hatte, wurden auf dem Provinzkapitel zu München im Jahre 1668 unter dem Vorsitz des Apostolischen Visitators und Kommissärs Hyazinth von Casale OFMCap. die Klöster in München, Rosenheim, Landshut, Regensburg, Straubing, Würzburg, Braunau am Inn, Dinkelsbühl, Eichstätt, Wasserburg am Inn, Mergentheim, Deggendorf, Schärding, Donauwörth, Kitzingen, Bamberg, Ried im Innkreis, Vilshofen, Gmünd, Burghausen, Neckarsulm, Königshofen, Ochsenfurt, Karlstadt und Wemding sowie die Missionshospize in Neumarkt/Oberpfalz, Weiden, Vohenstrauß und Parkstein von der Nordtiroler Provinz abgetrennt und zu einer eigenen Bayerischen Provinz zusammengefasst, während der Mutterprovinz die Klöster in der Grafschaft Tirol (Innsbruck, Bozen, Neumarkt an der Etsch, Sterzing, Eppan, Schlanders, Lana), die in Günzburg und Weißenhorn in Schwaben, in der Reichsstadt Augsburg, im Hochstift Salzburg (Salzburg, Radstadt, Mühldorf, Laufen) und im geistlichen Fürstentum Brixen (Brixen, Bruneck) belassen wurden. In dem auf diese Teilung folgenden Jahrhundert erlebte die Provinz wiederum einen kräftigen Aufschwung. Außer dem Zuwachs an neuen Niederlassungen (Imst 1674, Traunstein 1684, Dillingen 1692, Ried im Oberinntal 1694, Kitzbühel 1697, Klausen 1699, Burgau 1729, Werfen 1736. Höchstädt 1740) verfügte sie über zahlreiches und tüchtiges Personal. Damals musste sie, wenn auch ungern, auf Befehl Kaiser Karls Vl. die Hospize Tarasp (1716/17) und Müstair (1733) in Graubünden übernehmen. Erst in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts erlitt sie große Verluste. Im Jahre 1782 trennten sich die Klöster Augsburg und Dillingen sowie das Hospiz Höchstädt in Schwaben von der Nordtiroler Provinz und schlossen sich der Pfälzisch-Schwäbischen Kustodie an. Ferner wurden ihr im selben Jahr die Klöster in Laufen, Mühldorf, Radstadt, Salzburg und das Hospiz in Werfen genommen und zu einer neuen unabhängigen Kustodie unter dem Titel des hl. Rupert zusammengefasst (1803 kam dann Mühldorf und 1815 Laufen zu Bayern; die drei restlichen Klöster 1818 zur Österreichischen Provinz). Im Jahre 1783 wurden die burgauischen Klöster Günzburg, Burgau und Weißenhorn der Vorderösterreichischen Provinz einverleibt, von der die Nordtiroler Provinz im Gegenzug die vier vorarlbergischen Klöster Bezau, Bludenz, Bregenz und Feldkirch zugeschrieben bekam. In den Jahren der Regierung Kaiser Josefs II. (1780- 1790) ging die Mitgliederzahl der früher blühenden Provinz um die Hälfte zurück (von 608 bei seinem Regierungsantritt auf 352 bei seinem Tod, von denen 49 auf verschiedenen Seelsorgeposten wirkten; zudem war von 1787 bis 1802 das Haupt- und Mutterkloster Innsbruck aufgehoben).

3. Vom Tod Kaiser Josefs II. 1790 bis zur zweiten Provinzteilung 1928

Als Ganze zwar nicht säkularisiert, aber durch Teilaufhebungen (1808/09 Mals, Meran und Schlanders; 1810/ 1813 Bozen, Eppan und Neumarkt), durch das staatliche Verbot der Novizenaufnahme und durch andere Gesetze erheblich geschwächt, erholte sich die Provinz im Laufe des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts nur langsam. Im Jahre 1833 wurden ihr die Klöster in Radstadt und Salzburg sowie das Hospiz Werfen zurückgegeben, 1844 übernahm sie das Klösterchen Gauenstein bei Schruns im Montafon, 1864 das Kloster Ried im Innkreis, 1893 die neuerbauten Klöster in Braunau am Inn und Dornbirn, 1908 Reichenberg in Böhmen, 1922 Landeck/Perjen und 1919 das Seraphische Seminar in Vahrn/Salern bei Brixen. Im 19. Jahrhundert half unsere Provinz tatkräftig mit beim Wiederaufbau der Bayerischen und der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz.

In den Jahren 1889/ 1892 erhielt sie ein eigenes Missionsgebiet in Indien, die Apostolische Präfektur Bettiah und Nepal, die ihr jedoch nach dem Ersten Weltkrieg 1919 wieder verloren ging. Dafür wurde ihr im Jahre 1926 die bulgarische Mission im Apostolischen Vikariat Sofia-Philippopel zugewiesen, die dann 1928 an die neuerrichtete Brixener Provinz übertragen wurde. Zudem baute die Provinz Nordtirol die Mission in Graubünden/Schweiz weiter aus. Es wurden neue Stationen eingerichtet: Ardez 1867, Scuol und Susch 1894, Martina und Valchava 1896 und Zernez 1913. Durch die Einführung des Seraphischen Liebeswerkes (1908 St. Fidelishaus in Dorf Tirol und 1911 bis 1926 in St. Ulrich am Pillersee, seither in Fügen im Zillertal und zusätzlich seit 1956 in Innsbruck sowie seit 1974 auch in Axams) war und ist die Provinz auch auf sozialem Gebiet vorbildlich tätig, nicht zu reden von der Arbeit vieler ihrer Mitglieder auf dem Gebiet der Volksmissionen und Exerzitien sowie der Herausgabe religiöser Volksschriften.

4. Von der Provinzteilung 1928 bis zur Gegenwart

Durch die am 30. März 1928 erfolgte Losreißung der nach dem Ersten Weltkrieg unter Italiens Herrschaft gefallenen Klöster von Bozen, Brixen, Bruneck, Eppan, Klausen, Lana, Mals, Meran, Neumarkt mit Gschnon, Schlanders und Sterzing, des Seraphischen Seminars in Vahrn/Salern und der Liebeswerkanstalt in Dorf Tirol, die sämtlich zur neuerrichteten Provinz Brixen kamen, erlitt die Mutterprovinz großen Schaden. Vor allem musste das in unserer Provinz bis ins 17. Jahrhundert (1615) zurückreichende ordenseigene Philosophie- und Theo-logiestudium neu geregelt werden. So wurde Salzburg für das Studium der Philosophie und Innsbruck für die Theologie bestimmt (das blieb bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs). Nach dem Krieg bis zur Auflassung der ordenseigenen, staatlich anerkannten Theologischen Hauslehranstalt der Kapuziner in Innsbruck im Jahre 1968 absolvierten unsere jungen Brüder das Philosophie- und Theologiestudium zur Gänze an dieser. Die Philosophie wurde an unserer Lehranstalt zu Innsbruck nur bis zum Ende des akademischen Jahres 1964/65 doziert, von 1965 bis 1968 waren unsere Studenten der Philosophie an der Lehranstalt der Brixener Provinz in Sterzing. Seit 1968 inskribieren sich unsere Junioren in Innsbruck oder in Salzburg an der jeweiligen Fakultät.

Kaum waren die durch die Provinztrennung erlittenen schwersten Verluste wieder wettgemacht, durch den Ausbau der Studienklöster Innsbruck für Theologie und Bregenz für die Humaniora, durch den Neubau eines Noviziats in Imst und durch die Errichtung von Knabenseminaren in Bregenz und Feldkirch sowie durch die Annahme einer selbständigen Mission in der Mandschurei (1940 zur Apostolischen Präfektur Kiamusze erhoben), brachten die nationalsozialistische Herrschaft und der Zweite Weltkrieg die Provinz dem Untergang nahe: Aufhebung der Klöster in Radstadt. Salzburg, Werfen und Landeck-Perjen (1939), des Noviziatsgebäudes Imst, der Klöster Innsbruck und Kitzbühel (1940), Bludenz und Reichenberg (1941), Braunau am Inn und Ried im Innkreis (1942). Auch die unberührt gebliebenen Niederlassungen in Bregenz, Dornbirn, Imst, Ried in Oberinntal und Gauenstein im Montafon waren öfters in Ge fahr. Viele Mitglieder sind als Soldaten an verschiedenen Kriegsfronten gefallen, viele andere vermisst. Im Jahre 1947 wurden zwei Missionare in der Apostolischen Präfektur Kiamusze von den Kommunisten erschossen, die übrigen verhaftet und schließlich ausgewiesen (1954 kam der letzte Chinamissionar unserer Provinz zurück).

Von den Verlusten an Personal hat sich unsere Provinz bis heute nicht erholt. Die aufgehobenen Klöster bekam sie nach dem Krieg wieder zurück. Im Jahre 1948 trat sie Müstair und Valchava im Kanton Graubünden an die Brixener Provinz ab. Vor 1949/50 bis 1969 unterhielt sie im Kloster zu Bregenz ein Privatgymnasium für Spätberufene, 1951 eröffnete sie das St.-Fidelis-Seminar in Feldkirch (1972 wieder geschlossen) und 1957 das St.-Franziskus-Seminar zu Ried im Innkreis (1983 geschlossen), in denen der Ordensnachwuchs herangebildet werden sollte, der dann nach dem Noviziat in Imst (seit 1973 in Innsbruck und seit 1980 in Kitzbühel, von 1988 bis 1992 in Laufen in der Bayrischen Provinz) die höheren Studien begann (siehe oben). Im Jahre 1960 stieg unsere Provinz in die Mitarbeit der Mission auf der Roten Insel (Madagaskar) ein, auf der bis Juli 1994 vier Missionare aus unserer Provinz stammten (seither nur mehr zwei).

Hatte die Nordtiroler Provinz im Jahre 1939 noch 314 Mitglieder, ging ihre Mitgliederzahl bis zum Jahre 1971 auf 135 zurück. Und heute (Stand vom 1. Mai. 2002) zählt sie nur noch 46 (davon 35 Priester, 9 Laienbrüder, und zwei Zeitlichprofessen). Die zwei aus unserer Provinz stammenden Missionare auf Madagaskar sind hier nicht mitgezählt, weil sie sich der dortigen neuen Vizegeneralsprovinz (1987) angeschlossen hatten.

Der starke Personalrückgang zwang die Provinz, in den letzten zwanzig Jahren folgende Niederlassungen aufzugeben: Im Unterengadin Zernez und Susch (1976), Martina und Scuol (1977) sowie Ardez (1978), ferner die Pfarre Braunau-Süd (1979), die Klöster Bezau (1977), Bludenz (1991), Bregenz (2001) und Dornbirn (2004) , Radstadt (1978), Werfen einschließlich der dortigen Pfarre (1979) und Kitzbühel (2002). Unser Kloster in Braunau am Inn gehört zwar noch uns, wird aber seit 1978 von polnischen Franziskanern der Provinz Kattowitz betreut. Das Kloster Bregenz wurde 2001 an die Ñ Schwestern der Heiligen Klaraì vermietet. Das Kloster in Kitzbühel wurde 2002 an die Ñ Frati Francescani dell'Immacolataì übergeben. Das Kapuzinerkloster Dornbirn wurde im November 2004 den Franziskanern aus der Franziskanerprovinz von Posen in Polen übergeben.

Im Jahr 2004 werden vermehrt Gespräche mit der Wiener Kapuzinerprovinz über einen Zusammenschluss der Provinzen zu einer einzigen österreichischen Kapuzinerprovinz aufgenommen.

Unsere Tätigkeit heute

Trotz des personalbedingt engen Rahmens ist die Palette unseres Apostolats noch immer ziemlich bunt. Zu nennen sind da die Beichtpastoral und die Predigttätigkeit in unseren Klosterkirchen sowie auf Aushilfen in verschiedenen Pfarrgemeinden und Schwesterngemeinschaften, die Leitung von drei Pfarren (Tarasp im Unterengadin, Landeck-Perjen und Rietz), Exerzitienkurse und Volksmissionen, Einzelgesprächsseelsorge und Begleitung von Wallfahrtsgruppen, Krankenhausseelsorge in mehreren Städten, die Mitarbeit eines Bruders im Seelsorgeteam für die Laientheologen an der Universität Innsbruck, Religionsunterricht an verschiedenen Schulen, die geistliche Assistenz der Franziskanischen Gemeinschaft (früher Dritter Orden genannt) mit ca. 800 Mitgliedern in 19 Gemeinden, die Solidarität mit den Armen und Obdachlosen an unseren Klosterpforten, der Einsatz eines Bruders als diplomierter Krankenpfleger in leitender Funktion in der Pflege- und Wohngemeinschaft für Aidskranke, die die Diözesancaritas Feldkirch gegründet hat, das Wirken eines Bruders als Seelsorger und Psychotherapeut bei Schwerstbehinderten in Ursberg, das Guthirtenmutterwerk, das ein besonderes Apostolat des Gebetes und der Opfergemeinschaft zum Heil der Menschen darstellt und dessen etwa 3000 Mitglieder von einem Bruder schon seit mehr als dreißig Jahren betreut werden (von ihren Spenden profitieren das Schriftenapostolat und die Armen in der weiten Welt). Der Fürsorge Mariens, der Mutter des Guten Hirten, empfehlen wir Kapuziner im besonderen die Missionstätigkeit unserer Brüder (Satzungen 179.2). Obgleich unsere Provinz kein eigenes Missionsgebiet mehr hat, ist sie doch seit 1960 auf der Roten Insel, wie Madagaskar bezeichnet wird, missionarisch tätig. Einige Brüder aus unserer Provinz gehören seit 1987 der dortigen Vizegeneralsprovinz an (siehe oben). Nicht unerwähnt bleiben soll die franziskanische Caritas, die wir durch unser Seraphisches Liebeswerk (SLW) mit seinen Einrichtungen in Fügen im Zillertal (Bubenburg St. Josef), Innsbruck (Zentrum St. Franziskus und Kindergarten) und Axams (Elisabethinum, ein Förderzentrum für körper- und mehrfach behinderte Menschen) ausüben. In diesen Häusern werden ca. 200 Kinder, Jugendliche und Erwachsene betreut. Drei Brüder waren bisher hauptamtlich im SLW für Tirol und Salzburg tätig (seit September 1994 nur noch zwei), das auch das St.-Fidelis-Blatt herausgibt.

Das Provinzialat der Nordtiroler Kapuzinerprovinz befindet sich im Kapuzinerkonvent Innsbruck. Die Anschrift lautet: Provinzialat der Nordtiroler Kapuzinerprovinz, Kaiserjägerstraße 6, A-6020 Innsbruck. E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Homepage: www.kapuziner.at/nordtirol (mit Links zu den einzelnen Klöstern und deren Geschichte).

Im Kapuzinerkonvent Innsbruck sind auch die Provinzbibliothek (Geschichtlicher Abriss Link) und das Provinzarchiv untergebracht, die ihr Augenmerk auf den Erhalt und die Erschließung der Kulturgüter der Nordtiroler Kapuzinerprovinz legen. Zur Bibliothek gibt es auch eine eigene Homepage mit OPAC-Zugang: www.kapuziner.at/zentralbibliothek.